Das silbrig glänzende Spielzeugauto mit dem Aufziehmotor steht für eine konzentrierte Essenz von Faszination: Gerade einmal zwölf Zentimeter misst dieser 300 SL Rennsportwagen, der als Modell 1953 auf dem Markt erscheint. Doch das ist Raum genug, um eine Projektionsfläche zu bieten für jenen außerordentlichen Ruf, den das Original umgibt. Das Spielzeugauto der Marke Dux, hergestellt von Markes und Co. aus Lüdenscheid, eröffnet damit eine faszinierende und große Tradition. Denn die Geschichte der Spielzeug- und Modellautos, die sich verschiedene SL-Sportwagen von Mercedes-Benz zum Vorbild nehmen, ist fast so alt wie die Tradition der SL-Klasse selbst.
Dieser Zusammenhang zwischen Automobil und Modell erweist sich als eine starke Konstante in der Geschichte des Kraftwagens. Ob Rennfahrzeug oder Straßensportwagen, ob Limousine oder schwerer Lkw: Im Spielzeug und im Modell spiegeln sich Autos aller Typen und Epochen wider. „Die Geschichte des Automobils ist auch immer die Geschichte des Automodells“, heißt es deshalb im Vorwort des Ausstellungskatalogs zu der Schau „Modelle. Form, Spiel, Kult. Mercedes-Benz“, die von 2000 bis 2001 in der Kunsthalle Tübingen gezeigt wurde.
Technikjuwelen im kleinen Format
Der Drang, wichtige Elemente unserer Lebenswelt im Modell abzubilden, ist so alt wie die menschliche Kultur: Dazu zählen vorgeschichtliche Tierfiguren ebenso wie antike Modelle von Fuhrwerken. Und seit der Erfindung des Automobils durch Carl Benz und Gottlieb Daimler im Jahr 1886 hat sich der Kraftwagen als Spielzeug in Kinderzimmern und Sammlervitrinen etabliert.
Sportwagen, die als Original mit besonders starken Emotionen verbunden sind, erweisen sich in ihrer maßstäblichen Verkleinerung immer wieder als ein besonders spannendes Kapitel der Modellautos. Zu den am häufigsten als Miniaturen wiedergegebenen Typen gehören dabei das Mercedes-Benz 300 SL Coupé (W 198 I, 1954 bis 1957) und der 190 SL (W 121, 1955 bis 1963). Nach wie vor sind beide Typen beliebte Vorbilder für neue Miniaturen. Und so lässt sich an diesen Sportwagen-Klassikern die ganze Vielfalt der Maßstäbe, Materialien und Detailverliebtheit ablesen, von welcher die Kultur der Modellautos geprägt ist.
Der Blick auf Sammlungen zeigt, wie sich die Spielwarenindustrie dabei innovativen Verfahren öffnet: Die tiefgezogene Blechkarosserie wird durch Kunststoff- und Metallmodelle im Spritzgussverfahren abgelöst. Und an die Stelle des Aufziehmotors treten elektrische Antriebe – bei Autos mit Kabel- oder Funkfernverbindung ebenso wie bei den elektrisch mobilisierten Modellen für die Autorennbahnen.
Spiegel der SL-Tradition
Auch alle anderen SL-Sportwagen von Mercedes-Benz sind von ihrer Präsentation an stets begehrte Fahrzeuge in der Welt der Modell- und Spielzeugautos. So ist in sechs Jahrzehnten SL-Tradition eine ganze Welt der Miniaturen dieser Sportwagen von Mercedes-Benz entstanden: Angefangen vom Rennsportwagen W 194 über die Baureihen W 198 (300 SL) und W 121 (190 SL) zur „Pagode“ W 113 aus dem Jahr 1963 und den Baureihen R 107 (1971), R 129 (1989), R 230 (2001) sowie R 231 (2012).
Aber auch hinsichtlich von Zweck und Zielgruppe differenzieren sich die Miniaturen in dieser Zeit immer deutlicher aus: Auf der einen Seite stehen die robusten Nachahmungen des Originals von Mercedes-Benz, die zum aktiven Spielen einladen. Auf der anderen Seite gibt es immer mehr hoch detaillierte Modelle, die in ihrer filigranen Ausgestaltung vor allem den Sammler ansprechen, der die kleinen Kunstwerke in der Vitrine präsentiert.
Neuanfang mit Sportwagen bei Mercedes-Benz und im Spielwarenhandel
Als Dux (latein. „Anführer“; Automobilmarke) im Jahr 1953 die Miniatur des 300 SL Rennsportwagens (W 194) herausbringt, ist das legendäre Mercedes-Benz 300 SL Flügeltürer-Coupé der Serienbaureihe W 198 I noch ein geheimes Entwicklungsprojekt der Ingenieure und Designer. Wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist die Leistung der Spielzeughersteller für ihre Branche ähnlich hoch zu bewerten wie die Innovationskraft und Leistungsfähigkeit von Mercedes-Benz, wo zur gleichen Zeit der brillante Seriensportwagen entsteht. Daran erinnert Matthias Braun in seinem 1998 erschienenen Buch „Mercedes Sportwagen im Modell“.
Die Formgebung des Dux-Modells von 1953 nimmt sich natürlich noch die Silhouette des Rennsportwagens zum Vorbild. Aber der W 194 gibt auch schon einen Vorgeschmack auf die Linienführung und Ästhetik des 300 SL Serienfahrzeugs, das 1954 in New York auf der International Motor Sports Show seine Premiere hat. Diesen glänzenden Neuanfang von Mercedes-Benz im Sportwagen-Sektor nimmt die Spielzeugindustrie dankbar als Impuls für eine ganz neue Modellwelt auf.
Technisch zeigt sich die Dux-Miniatur von 1953 noch den Prinzipien des klassischen Spielzeugautos dieser Epoche verbunden: Die Karosserie wird aus Blech tiefgezogen und mit dem Rahmen verbunden. Nach diesem Prinzip ist schon Mitte der 1930er-Jahre der legendäre Nachbau des Formel-Rennwagens Mercedes-Benz W 25 von Schuco entstanden. Dieser kleine Silberpfeil wird bis heute gebaut.
Dux entscheidet sich bei seinem 300 SL nicht für das übliche Verfahren mit Blechlaschen, die durch Schlitze geführt und umgebogen werden, sondern für Schraubverbindungen. Diese Technik erlaubt es den stolzen Besitzern des Modells, den 300 SL zu öffnen (Schraubendreher und Schraubenschlüssel werden mitgeliefert) und sogar den Aufziehmotor auszubauen. In dem Metallbaukasten „Auto-Dux“ liefert Dux wenige Jahre später sogar einen demontierten Typ 190 SL (W 121), der zum Spielen zunächst zusammengebaut werden muss.
SL-Sportwagen werden später auch als Kunststoffbausätze verschiedener Hersteller angeboten. Der Wandel vom Blech zum Kunststoff steht dabei für einen Paradigmenwechsel, der den kompletten Bereich der Modellautos betrifft: Nicht nur neue Materialien, auch andere Techniken zur Herstellung und andere Antriebe etablieren sich vor allem seit den 1960er-Jahren.
Aber die Faszination des Ursprünglichen bleibt, wenn man ein Blechauto mit Aufziehmotor in die Hand nimmt – diese Spielzeuge sind technische Zeitzeugen jener Epoche, die der 300 SL als erster Serien-Sportwagen seiner Familie geprägt hat. In den 1990er-Jahren bringt Märklin denn auch mit eben dieser Technik ein prachtvolles Großmodell des W 198 I heraus, das unter anderem als Sonderedition zum 40. Geburtstag des Landes Baden-Württemberg (silbern) und als Museumsmodell (rot) aufgelegt wird.
300 SL ist auch als Modell erfolgreich im Export
Miniaturen des Flügeltürer-Coupés als Blechspielzeug kommen bereits bald nach der Präsentation des W 198 I in größerer Zahl auf den internationalen Markt. Viele davon sind eher schlicht umgesetzt, wie die zahlreichen Versionen aus japanischer Herstellung. In Deutschland werden diese blechernen Modelle des 300 SL eher selten verkauft, der Großteil davon findet seinen Absatz in ausländischen Märkten. Auch das ist eine Parallele zwischen dem Original von Mercedes-Benz, das von Beginn an besonders erfolgreich im Export ist, und dem Modell.
Vereinzelt finden sich aber auch äußerst feine Miniaturen aus deutscher Produktion wie das Modell von Tipp & Co./Tippco „mit Elektroantrieb und einer richtig funktionierenden Lenkradschaltung“, wie Matthias Braun schreibt. Dieses Spielzeugauto erweist sich nicht nur technisch seinem Vorbild angemessen, sondern es zeigt sich auch preislich dem luxuriösen Sportwagen angepasst: 23 DM muss man für den 300 SL von Tipp & Co./Tippco bezahlen, das ist Mitte der 1950er-Jahre sehr viel Geld für ein Spielzeug.
Zeigen die deutschen Spielzeugfirmen gegenüber dem Typ 300 SL zunächst noch etwas Zurückhaltung, ändert sich das mit dem seit 1955 gebauten 190 SL Roadster: Von dem offenen Sportwagen kommen „über 80 Prozent aller Modelle von deutschen Traditionsherstellern wie Gama, Huki (Kienberger), JNF, Kellermann, Schuco und Seidel“, schreibt Matthias Braun. Technisch folgen diese Miniaturen den Modellen des 300 SL, sie sind also mit Blechkarosserien ausgestattet, die lackiert oder lithografiert werden.
Technische Innovation im Spielzeug
Nicht alle technischen Details eines echten Sportwagens lassen sich vorbildgerecht im Modell wiedergeben. Doch die Entwicklung im Spielzeugbereich seit der Premiere des ersten Typ 300 SL als Wettbewerbsfahrzeug von zahlreichen Innovationen geprägt worden. Das betrifft die Produktion der Karosserien im Spritzgussverfahren ebenso wie die Herstellung von Dekors durch Fotoätzen und andere Verfahren. Ablesen lässt sich diese Entwicklung insbesondere am 300 SL der Baureihe W 198 I und dem 190 SL der Baureihe W 121. Denn beide Mercedes-Benz Sportwagen werden nach wie vor von zahlreichen Herstellern als Modelle angeboten – mit großen Unterschieden in der Detailtreue.
Die Evolution, die ein Modell dabei erlebt, zeigt beispielsweise das 300 SL Coupé von Wiking aus Kunststoff im Maßstab 1 : 87, das in der Preisliste des Jahres 1956 als Neuheit vorgestellt wird. Der im Maßstab zur Modelleisenbahn der Spur H0 passende Flügeltürer hat damals eine Karosserie ohne durchgebrochene Fenster, die Scheinwerfergläser sind durch Farbe dargestellt. Zum Jahr 1960 folgt dann der 300 SL mit transparenter Windschutzscheibe und Fenstern – passend zum Typ 190 SL mit Coupédach, den Wiking 1957 präsentiert. Immer wieder bringt Wiking verfeinerte Versionen des Flügeltürer-Coupés auf den Markt, bis hin zu Ausführungen mit filigranem Kühlergrill und Stoßstangen.
Neben den feinen Details sind auch technische Funktionen gefragt. So gibt es um 1960 nicht nur ein Modell der „Pagode“ von Gama mit abnehmbarem Hardtop, sondern sogar einen 230 SL (W 113) von Schuco mit funktionsfähigem Vierganggetriebe.
Mercedes-Benz Qualität im Modell
Das Streben nach immer besseren Modellen gilt für viele Hersteller und zahlreiche Maßstäbe. Dabei wird der Bedarf nach präzisen Informationen über das Vorbild immer deutlicher. Hier ist Mercedes-Benz als Partner der Spielzeugindustrie schon immer gefragt: Bereits 1961 wendet sich beispielsweise ein Hersteller von „Kinderautos“ an Daimler und bittet um detaillierte Zeichnungen und Fotografien als Vorlage für die etwa 1,5 Meter langen Tretautomobile.
Heute fördert Mercedes-Benz in Zusammenarbeit mit renommierten Herstellern unter anderem die Entwicklung hochwertiger Sammlermodelle für die markeneigene Classic Collection, deren Artikel bei den Mercedes-Benz Niederlassungen, den Markenhändlern, im Mercedes-Benz Museum sowie im Onlineshop erhältlich sind. Bei der Kooperation legt Mercedes-Benz größten Wert auf die Originalitätstreue, das betrifft beispielsweise originale Lackfarben, Zierelemente und Dekors – bis hin zu den Startnummern an Sondermodellen, die an einen wichtigen Rennsieg für Mercedes-Benz erinnern.
Und so schließt sich ein Kreis, wenn ein Liebhaber exakt die gesuchte, hochwertige Miniatur eines 300 SL Coupés oder eines 190 SL Roadsters in der Classic Collection von Mercedes-Benz findet. Denn die Begeisterung für „die Harmonie der Form, versöhnt mit der Raffinesse der technischen Konstruktion“ (so beschreibt der Volkskundler Hermann Bausinger die Quelle der Faszination für Sammlermodelle), ist ein modernes Echo des Enthusiasmus, den das Publikum 1954 bei der Präsentation von 300 SL Coupé und 190 SL in New York verspürte.
Quelle: www.mercedes-benz.de