„Fahren Sie Ihren Traktor wie ein Auto“
so bewarb Valmet den 565
Die Argumente dafür: Ein synchronisierte Sechsganggetriebe und Fußgas
Finger weg von Exoten, heißt es, die machen nur Probleme bei der Restaurierung. Dirk Stegemann hat sich von derlei Unkenrufen nicht abschrecken lassen und einen Valmet 565 in Bestzustand zurückversetzt.
Sprich Finnland, und ich denke an Klischees: Lange Winter fallen mir ein, natürlich Sauna und Wodka, riesige Seen und Waldlandschaften … Frage, Warum nicht auch Traktoren? Es wird Zeit, die Gedanken neu auszurichten.
Ein Rückblick in das Jahr 1951: Der finnische Staat fasst mehrere Staatsbetriebe, darunter die Kanonenfabrik „Valtion Tykkitehtaat“, zu einer Unternehmensgruppe zusammen. Die neu Firma lautet „Valtion Metallitehtatt“, kurz Valmet. Die einzelnen Betriebe produzieren bis dato nicht nur Waffen und Munition, sonder auch Flugzeuge, Lokomotiven und Haushaltswaren und jetzt halt auch Traktoren.
Durch die Vergangenheit als Militärfabrik verfügt Valmet von Anfang an über eine eingespielte Belegschaft und einen umfangreichen Maschinen- und Werkzeugbestand. Die Luftfilter für die ersten Schlepper entstanden etwas aus Presswerkzeuge für die Granatenherstellung. Auch die Messinstrumente arbeiten von Beginn an äußerst präzise.
Die ersten Valmet-Schlepper werden 1951 im Werk Tourula gebaut. Optisch sind sie typische Vertretet ihrer Zeit, komplett einfarbige Rundhauben-Traktoren. Die Gestaltung änderte sich erst im Jahr 1960, als die Finnen ihr drittes Treckermodell vorstellten: Der 361 D verfügt über eine kantige Motorverkleidung mit flachem grauen Kühlergrill und ebenso grauen Seitenverkleidungen. Hierfür engagiert man extra einen Industriedesigner: Jokka Pellinen.
Beim Antrieb setzt Valmet auf bewährte Komponenten: Ein hauseigener Viertaktdiesel des Typs 310 D dient als Kraftquelle. Mit 100 x 114 Millimeter pro Zylinder schöpft der Reihendreizylinder aus 2685 Kubikzentimeter stramme 46 PS – rund vier PS mehr als beim Vorgängermodell.
Die Einspritzung stammt für Erste von Bosch, später von Simms. Das Getriebe ist unsynchronisiert und besteht aus drei parallel laufenden Wellen, was eine äußerst kompakte Konstruktion ergibt. Es gibt insgesamt sechs Vorwärts- und zwei Rückwärtsgänge in zwei Gruppen. Damit deckt der 361 D einen Geschwindigkeitsbereich von 3,3 bis 28,5 Stundenkilometer ab. Zapfwelle und Dreipunkthydraulik gehören zur Standardausrüstung.
Der 361 D gibt Valmet einen starken Schub nach vorne: 14796 Traktoren rollen bis 1964 aus den Produktionshallen. In dieser Zeit lernt der Hersteller die Stärken und Schwächen seines Bestsellers genau kennen. Davon profitiert der 565, den Valmet im Herbst 1964 vorstellt. Er folgt weitgehend dem Design des 361; die augenfälligste Änderung betrifft die Kühlerhaube: Punktförmige Luftströmungen und Längssicken statt horizontalen Kühlrippen. Vor allem trägt dieser Valmet erstmals ein verchromtes „V“ an der Front – bis heute einverbindendes Merkmal aller Valmet und Valtra Traktoren.
Der neue Dreizylinder-Dieselmotor 310 A/B entspricht in großen Teilen der Vorgängermodell mit 2685 Kubikzentimeter Hubraum. Der Hersteller dreht allerdings die Leistung hoch auf 52 PS bei 2250 U/min. Das Drehmoment bei 1.300 Umdrehungen beträgt 172 Newtonmeter.
Höhepunkt ist jedoch das neue Getriebe: Der 565 bietet zum ersten Mal überhaupt eine synchronisierte Schaltung mit sechs Vorwärts- und zwei Rückwärtsgängen. Die Synchronisation betrifft die Gänge und drei sowie die Gruppenschaltung (langsam/schnell). Etwas Vergleichbares gibt es zu der Zeit nicht: Andere Hersteller boten allenfalls die Synchronisation zwischen zwei Gängen. Mit dem 565 etabliert sich Valmet als Innovationsträger in Skandinavien. Vor allem im Anhängerbetrieb steckt der sogenannte „Syncro-Valmet“ alle Mitbewerber in die Tasche.
Ergänzend zum Handgashebel führt Valmet außerdem auch ein Fußpedal ein. Daher die offizielle Werbebotschaft: „Jetzt fahren Sie Ihren Traktor wie ein Auto.“
Wer sich die Fußhebel weiter anschaut, sieht linksseitig zwei Pedale – Doppelkupplung, klar. Hier hat Valmet eine individuelle Lösung gefunden: Ein Pedal löst die Getriebe-, ein weiteres die Zapfwellenkupplung. Natürlich lassen sich auch beide gleichzeitig durchtreten. Zumindest aber sollte es so nicht passieren, da man versehentlich beide Kupplungen löst, nur weil man das Pedal zu weit durchgetreten hat. Vor allem Bauern und Forstarbeiter mit schweren Winterschuhen wissen dies zu schätzen.
Eine Besonderheit ist auch die identische Größe (elf Zoll) beider Kupplungsscheiben – anders als bei den meisten Doppelkupplungen üblich.
Wie der erste Valmet-Diesel-Traktor hat auch der 565 einen Treibstofftank, der als gusseisener Zwischenrahmen ausgeführt ist. Er fasst 40 Liter, ist U-förmig und verbindet Motor und Getriebe. Der Kraftdurchmesser von der Doppelkupplung zur Schaltbox läuft sinnigerweise nicht durch den Diesel, sonder in einer mittigen Aussparrung. Die ungewöhnliche Konstruktion hat gleich mehrere Vorteile – einer davon betrifft die Wärmeverteilung: Das heiße Getriebe wärmt den Diesel im Winter, und an heißen Tagen kühlt der Treibstoff das Getriebe. Außerdem wird das Tanken komfortabler: Der Fahrer muss nicht mit Zapfhahn oder Kanister auf dem Führerstand hochsteigen, er kann bequem auf dem Boden bleiben. Zudem wird auch noch der Schwerpunkt des Traktors weiter nach untern verlagert, was die „Stabilität“ verbessert.
Im Vergleich zum 361 hat Valmet die Vorderachse sichtbar verstärkt. Die Spurweite lässt sich von 137 bis 167 Zentimeter verstellen. Die Hinterachse bietet Spielraum von 142 bis 194 Zentimeter. Durch die vergrößerten Hinterreifen und die Portalachsen vorne besitzt der 565 eine erstaunliche Bodenfreiheit.
Ende des Jahres 1965 stellt Valmet den 565.2 vor. Das neue Modell bietet unter anderem einen gepolsterten „Gesundheitssitz“ mit längeren Federwegen. Die Härte ist auf das Gewicht des Fahrers einstellbar – ähnlich wie bei Eicher.
Valmet verlegt beim 565.2 außerdem die Hydraulikpumpe für den Dreipunkt-Kraftheber auf die rechte Seite des Motors. Um die Kaltstarfähigkeit zu verbessern, kann die Pumpe auch abgestellt werde.
Durch die neue Position bleibt das vordere Ende der Kurbelwelle frei. Hierfür hat sich der Hersteller eine interessante Anwendung einfallen lassen: Die Kurbelwelle setzt sich nach außen hin fort in Form einer „Frontzapfwelle“, mit einer feineren Verzahnung als üblich. Die Welle endet allerdings bereits vor dem Frontgrill, ragt also nicht nach außen. Außerdem läuft sie natürlich nicht konstant mit 540 U/min, sondern immer mit der Motordrehzahl. Wofür benötigt man so etwas?
Infos darüber sind sehr rar, doch laut Herstellerangaben kann an diese „Frontzapfwelle“ eine weitere Hydraulikpumpe angeschlossen werden. Diese Pumpe soll zum Beispiel einen hydrostatischen Kriechgang ermöglicht haben, der eine variable Geschwindigkeit von null bis drei km/h erlaubte und ab 1966 in den Zubehörlisten stand. Wo der dafür notwendige Ölmotor saß, ist nicht zu ermitteln. Zumindest in Deutschland dürfte auch kein Exemplar mit dieser Ausstattung überlebt haben.
Ihre Vielseitigkeit wird den meisten 565 zum Verhängnis
Überlegen, ein gutes Stichwort: Ihre Vielseitigkeit wird in den meisten 565 zum Verhängnis. Valmet selbst schreibt in Broschüren von der „Maschine mit hundert Anwendungen“. Dokumentiert sind nicht nur Einsätze auf dem Feld und im Forst, sondern auch in der Bauwirtschaft – etwa mit hydraulischen Heckbagger oder Grabenfräse. Und wo immer die skandinavische Brot-und-Butter-Maschine zu Einsatz kommt: Geschont wird sie nie. Das macht den 565 heute rar, trotz hoher Stückzahlen – schätzungsweise 10.000 Schlepper sind gebaut worden. In Finnland gehören gute Exemplare längst zu den begehrten Sammlerobjekten. Das bringt uns zu Dirk Stegemann. Der Valtra Händler aus Billerbeck, Westfalen, liebäugelte lange mit einem alten Valmet. Im August 2010 entdeckte er bei einem Händler aus Österreich einen 565.
Der Traktor sieht zwar reichlich patiniert aus, befindet sich aber nahezu im Urzustand: Motor, Kupplung, Getriebe, Hydraulik – alles original. Die Motorhaube ist stark verbeult, Lampen und Blinker nicht mehr vorhanden, die Hydraulik ist defekt.
Doch der Dreizylinderdiesel startet auf Anhieb, alle Gänge lassen sich schalten – eine prima Basis. „Da der Trecker über eine lange Zeit still stand, entschloss ich mich für eine komplette Überholung“, erzählt Dirk Stegemann.
Nachdem die Lackarbeiten abgeschlossen sind, erneuert er die Elektrik. Das Cockpit bleibt originalgetreu erhalten, allerdings klafft rechts von der Lenksäule ein großes Loch: „Ursprünglich wurde der Valmet 565 mit einem große Schlüssel gestartet“, sagt Stegemann. „Das Teil war hier allerdings ausgebaut, und Ersatz gibt es nicht mehr.“
Er nutzt den freien Platz kurzerhand für ein neues Instrument: eine Wassertemperaturanzeige. Jetzt startet der Restaurierer den Finnen mit einem Standardschlüssel.
Seitdem der 565 so schön da steht, ist Dirk Stegemann mit dem Valmet regelmäßig im Münsterland unterwegs – sei es auf Oldtimertreffen oder einfach nur für Fotos vor typisch westfälischen Kulissen. „Die Leute reagieren sehr positiv auf den Traktor, sie haben großes Interesse und fragen viel nach“, freut sich der Besitzer. Am größten ist dann immer das Erstaunen, wenn die Herkunft bekannt wird: Finnland – da kommen solche schöne Trecker her?
Die Restaurierung
Technische Daten Valmet 565/565.2
Motor: Valmet 310A/B
Bauart: Wassergekühlter Viertaktdiesel, Direkteinspritzung; ohv-gesteuert; Reiheneinspritzpumpe; Druckumlaufschmierung
Zylinder: 3 in Reihe (4 Kurbelwellenlager)
Bohrung x Hub: 100 x 114 mm
Hubraum: 2.685 ccm
Leistung: 52 PS bei 2.250 U/min
Drehmoment: 172 Nm bei 1.350 U/min
Kraftübertragung: Doppelkupplung, synchronisiertes Getriebe mit 6V/2R-Gängen in zwei Gruppen, Getriebezapfwelle mit 540 und 750 U/min
Bauart: Block
Bereifung: Vorne 7.50-16, hinten 12.4/11-32 AS
Spur v/h: Vorn 1.370 bis 1.670, hinten 1.420 bis 1.940 mm
LxBxH: 3.000 x 1.700 x 1.910 mm
Gewicht: 1.930 kg
Geschwindigkeit: 30 km/h
Bauzeit: 1.964 bis 1.968
Stückzahl: zirka 10.000
Aus der Zeit
VALMET – Die Kurzgeschichte
Der ehemalige Mischkonzern Valmet (Valtion Metallitehtaat, zu Deutsch: staatliche Metallwerke) ist nicht der älteste Traktorhersteller Skandinaviens, aber der einzige, der noch heute existiert: Unter dem Namen Valtra entsteht jedes Jahr 24.000 Traktoren in Finnland und Brasilien.
Gegründet wird Valmet 1951 in einer staatlichen Militärfabrik. Während die Finnen auf dem heimischen Traktorenmarkt schnell Fuß fassen, tun sie sich mit einer Expansion nach Kontinentaleuropa zunächst sehr schwer. Lieber engagiert man sich in zahlreichen Entwicklungsländern. Mit dem Verzicht auf wichtige Märkte in Europa vermeidet Valmet einen zerstörerischen Preiskampf, in den man unweigerlich hätte einsteigen müssen. Eine besondere Spezialität sind Forstschlepper, die ab 1961 entwickelt werden. Vorreiter hier war der Landwirtschaftstraktor 361 D: Er diente als Basis für den 361 D, einen allradgetriebenen Knicklenker mit endsprechender Forstausrüstung (Polterschild, Seilwinde etc.).
Im Jahre 1970 taucht erstmals der Name Valtra auf – im Grunde bezeichnet man damit Baggerlader, geländegängige Gabelstapler und Forstmaschinen. Nach einer auslaufenden Lizenzvereinbarung wird das gesamte Unternehmen im Jahr 2001 in Valtra umfirmiert.
Eine spektakulär gestaltete Maschine war der dreiachsige 1502, der ab 1973 entwickelt wird. Auf seiner Grundlage entwickelte man verschiedene Knicklenker-Konstruktionen.
In der Landwirtschaft kann sich der 1502 nicht durchsetzen, Erfolge feiert er dagegen als Transportmaschine für Forstwirtschaft und mit einer Kippermulde für die Erdbewegung.
Die wohl wichtigste Geschäftsentscheidung trifft Valmet im Jahr 1979, als man der Volvo-Gruppe die Traktorensparte Volvo-BM abkauft. Heftige Proteste aus Schweden kontert der neue Besitzer mit einer Bekenntnis zum „nordischen Traktoren-Projekt“.
Seit 2003 ist Valtra Teil der AGCO-Gruppe und steht als gleichberechtigte Marke neben Fendt, Massey Ferguson und Challenger. Aktuell bietet man vier Baureihen an (A, N, T, und S), die ein Leistungsspektrum von 50 bis 400 PS abdecken. Mit Unterstützung ihres Konzerns wollen sich die Finnen hierzulande deutlich stärker engagieren. Als Valtra etwa Ende 2014 die neuen Sechszylinder der T-Serie der Weltöffentlichkeit vorstellte, wählte man dafür gezielt eine deutsche Stadt aus: Wörth am Main. Den neuen Schub spürt auch Valtra-Händler Dirk Stegmann: „Noch ist Fendt hierzulande stärker, doch außerhalb Deutschlands ist Valtra bereits heute dominierend.
Quellen Angabe
Text & Fotos: Patrik Rosenbaum
Bericht aus der: Oldtimer Traktor 3/2015 kaufen oder gleich die OLDTIMER TRAKTOR abonnieren!
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