Auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAMA) von 1928 tritt der Ackerschlepper OE erstmals ins Rampenlicht und findet bereits im Mai desselben Jahres den Weg zum Kunden. In punkto Wirtschaftlichkeit ist der Schlepper all seinen Zeitgenossen haushoch überlegen. Doch auch in technischer Hinsicht handelt es sich um eine der ausgereiftesten Konstruktionen der zwanziger Jahre. Der OE verkörpert die neuesten Erfahrungen aus einer bereits Jahrzehnte zurückreichenden Motoren- und Landmaschinenentwicklung.
Bereits 1902 erhält Daimler in Berlin für seine Universal-Lokomobile den ersten Preis der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft. Die volle Ackertauglichkeit ist aber erst mit dem 1913 vorgestellten „Motorpflug Modell Daimler“ erreicht: Der 6,6 Tonnen schwere Gelenkpflug ist vom Prinzip des Schleppers mit Pfluganhänger, wie er sich in den zwanziger Jahren dann allgemein durchsetzt, nicht weit entfernt. 1921 stellt Daimler schließlich einen solchen, gut fünf Meter langen und vier Tonnen schweren „Pflug-Schlepper“ vor.
Der weltweit erste Fahrzeug-Diesel befeuerte einen Traktor
Nach der Fusion mit Benz 1926 spricht dann freilich alles für das Modell des vormaligen Konkurrenten. Den Ausschlag gibt jener Dieselmotor, den Benz schon 1922 in einen Dreiradschlepper einbaut. Diesen leicht kurios anmutenden Schlepper mit einem einzigen, walzenartigen Antriebsrad von 1,40 Meter Durchmesser hatte Benz unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg gemeinsam mit dem Münchener Motoren- und Traktorhersteller Sendling entwickelt. Der Versuch mit dem Rohölmotor gilt zunächst eher der praktischen Erprobung des Vorkammerdiesels, ein Jahr bevor dieser erstmals in einen Lkw eingebaut wird. Doch auch der Dieselschlepper wird ein voller Erfolg.
Vom Fleck weg ist der Prototyp auf der Landwirtschaftsausstellung in Königsberg anno 1922 verkauft. Zwei weitere Einheiten folgen, bevor der dieselgetriebene Benz-Sendling-Eintriebradschlepper S6 im Jahr darauf in Serie geht. Bis 1925 ist das erste Hundert an den Mann gebracht, und 200 weitere Exemplare kommen nach. Insgesamt verkauft Benz-Sendling bis Anfang der dreißiger Jahre 1188 Einheiten des dreirädrigen Zugpferds.
Als Hauptgrund für den Eintriebradpflug – oder den sehr ähnlichen Pflugschlepper von Daimler mit zwei eng nebeneinander angeordneten Hinterrädern – gilt, dass man auf diese Weise ohne Differenzial auskommt. Sehr bald schon stellt sich indes heraus, dass dieser Vorzug mit einer erhöhten Kippgefahr erkauft ist. So entwickelt Benz-Sendling ebenfalls bereits 1923 den Vierrad-Dieselschlepper BK, der auch in einer Straßenversion mit Vollgummireifen zu haben ist. Er ist der direkte Vorläufer des OE.
Koordinierungsprobleme nach der Fusion
Doch folgt die Gunst des Publikums nicht immer der technischen Vernunft. Während der Dreiradschlepper weggeht wie warme Semmeln, stößt sein vierrädriger Bruder bei den Kunden auf eine eher zurückhaltende Reaktion. Dieses Schicksal vererbt er seinem Nachfolger OE, der zudem zu einem ungünstigen Zeitpunkt erscheint.
Daimler und Benz haben 1926 nach der Fusion alle Hände voll zu tun, die verschiedenen Geschäftszweige neu zu organisieren. Benz-Sendling hatte seine Schlepper zuletzt bei Komnick in Ostpreußen herstellen lassen: Die Bezeichnung „BK“ deutet an, dass es sich um einen Benz-Dieselmotor auf einem Komnick-Fahrgestell handelt. Der OE hingegen soll in Stuttgart-Untertürkheim gefertigt werden. Bis dies soweit ist, vergehen zwei Jahre, bald darauf aber setzt die Weltwirtschaftskrise der Kaufkraft der Kunden klare Grenzen.
Heiß umkämpfter Markt
Einfach ist es sowieso nicht, in den zwanziger Jahren auf dem deutschen Markt ausgerechnet einen neuen Schlepper zu platzieren. Sage und schreibe 70 Unternehmen machen sich um 1920 im wahrsten Sinne des Wortes das Feld streitig. Der in Großserie gefertigte, ungleich billigere Fordson-Schlepper von Ford droht zudem, sie alle aus dem Rennen zu werfen. Nachdem Importbeschränkungen 1924 nicht länger aufrechtzuerhalten sind, behilft sich die deutsche Regierung mit gezielten Krediten an die Käufer deutscher Fabrikate. Einige Unternehmen bieten überdies vergünstigte Zahlungsbedingungen oder vergleichen in offensiven Anzeigenkampagnen ihre Produkte auf jeweils vorteilhafte Weise direkt mit dem Ford-Traktor.
Solch eher plumpes Vorgehen ist allerdings nicht Sache von Daimler-Benz. Das Unternehmen misst sich eher indirekt: Als im Prospekt zur IAMA von 1928 die Schattenrisse zweier verschieden großer Traktoren einen Abschnitt mit der Überschrift „Kleinschlepper?“ illustrieren, wissen die Leser schon, woher der Wind weht. „Ein noch so starker Motor kann nur so viel von seiner Leistung am Zughaken des Schleppers abgeben, wie die Triebräder, ohne sich einzuwühlen, erlauben“, heißt es dort. „Der so genannte Schlupf der Triebräder ist bei gleicher Bodenbeschaffenheit abhängig von der Größe der Räder, von den Greifern und vom Gewicht.“
1,30 Meter messen die Hinterräder des Mercedes-Benz Dieselschleppers im Durchmesser. Die Flacheisenräder sind mit 14 diagonal angeordneten Winkelgreifern besetzt: Die stark profilierten Gummireifen heutiger Traktoren sind damals noch unbekannt. Mit rund 2,5 Tonnen bringt der OE außerdem eine Tonne mehr auf die Waage als das Leichtgewicht von Ford. „Durch das höhere Gewicht ist ein Aufbäumen und Überschlagen der Maschine unter allen Umständen vermieden“, weist der Prospekt diskret auf einen weiteren wichtigen Unterschied hin.
Dagegen liegt die Leistung mit 24, später 26 PS gar noch unter den 30 PS des Fordson. Darauf kommt es jedoch nicht an, sondern auf die Zugkraft beim Anfahren, vor allem auf feuchten und sandigen Böden und am Berg. „Praktisch leistet das Fahrzeug so viel wie ein so genannter Kleinschlepper mit über 30 PS Normalleistung“, verkündet eine Broschüre. Und noch einmal: „Das bei Kleinschleppern wiederholt beobachtete gefährliche Hochbäumen und das Überschlagen sind bei dem hohen Vorderachsdruck von über 1000 kg ausgeschlossen.“
State of the Art: Rahmenlose Blockbauweise, Rohölmotoren, Schwungräder
Allerdings orientiert sich der OE in seiner Konstruktion keinesfalls unmittelbar an amerikanischen Vorbildern. In Deutschland gibt es vor allem zwei Traktoren, die dem Fordson Paroli bieten können und die ab Mitte der zwanziger Jahre in Fließbandfertigung hergestellt werden: Der WD von Hanomag versucht es eher frontal, indem er in der unteren Gewichtsklasse mit niedrigen Preisen und konstruktiven Verbesserungen wirbt. Der OE von Mercedes vergleicht sich indes eher mit dem Bulldog von Lanz.
Eines haben die deutschen Traktorenhersteller von Ford gelernt: Die rahmenlose Blockbauweise, bei der Motorblock und Getriebegehäuse bis hin zur Hinterachse ein verwindungssteifes Ganzes bilden, ist bei den hohen Belastungen des Pflügens auf den unebenen Ackerböden den früheren Rahmenkonstruktionen klar überlegen. Lanz erkennt dies schon 1921, ebenso die wirtschaftlichen Vorzüge des Rohöls. Allerdings treibt den Bulldog kein Dieselmotor an, sondern ein von dem Konstrukteur des Unternehmens, Fritz Huber, weiterentwickelter Glühkopfmotor nach dem Patent von Herbert Akroyd Stuart. Der OE entspricht in Maßen und Gewichten, der Stärke des Motors, Geschwindigkeit und Untersetzung des dreigängigen Getriebes weitgehend dem Bulldog. Auch äußerlich ähnlich wirken die seitlich angebrachten Schwungräder, deren eines, wie bei Lanz, die Kupplung enthält.
Wenn schon der Glühkopfmotor von Lanz aufgrund des niedrigen Rohölpreises als wirtschaftlich gilt, so muss der Daimler-Benz-Dieselmotor geradezu als Sparwunder erscheinen. Dies ist der Grundgedanke, der das Unternehmen aus Untertürkheim 1928 veranlasst, den OE gegen die elf verbliebenen einheimischen Schlepperhersteller ins Feld zu schicken. Allerdings bleibt Daimler-Benz damit nicht allein auf weiter Flur. Deutz hatte schon etwas früher seinen Dieselschlepper MT 222 vorgestellt, wenn auch zunächst nur in einer Straßenversion mit Gummireifen.
Kurvenradius gerade mal vier Meter
Der OE ist freilich weit mehr als eine Kopie des Lanz Bulldog mit Dieselmotor. In einer ganzen Reihe technischer Details betritt der Schlepper Neuland und trägt so zu einer wesentlichen Erleichterung der landwirtschaftlichen Arbeiten bei. Dies beginnt schon bei der sorgfältigen Abstimmung von Antrieb und Kraftübertragung, der Gewichtsverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse sowie der Größe und Breite der Räder, die sich für Moorböden mit einer Verbreiterung versehen lassen.
Eine Dekompressionseinrichtung erleichtert das Anwerfen des Motors, der mit Hilfe einer Zündpatrone gestartet wird. Eine geniale Erfindung ist ein Regler an der Nockenwelle, der bei nachlassender Belastung die Drehzahl mindert und umgekehrt. Auf diese Weise ist gewährleistet, dass der stark belastbare, liegend eingebaute Einzylindermotor auch beim Anfahren auf weichem Boden, bei wechselnder Beanspruchung oder in bergigem Gelände seine Leistung stets gleichmäßig auf die Hinterräder überträgt. Ein „zunehmendes Drehmoment bei sinkender Drehzahl“ nennt denn auch ein Prospekt als Vorzug des Mercedes-Schleppers.
Unvergleichlich eng ist für einen Schlepper dieser Größe der Kurvenradius von vier Meter. Dass dabei ein Ausgleichsgetriebe nötig ist, versteht sich von selbst. Eine Differenzialsperre für den Fall, dass einmal eines der Räder durchdreht, ist allerdings damals noch nicht bei allen Traktoren vorhanden. Und für den Fall, dass der Landwirt dann vergißt, die Sperre wieder zu lösen, ist diese so konzipiert, dass sie die beiden Hälften der Hinterachse zu einer starren Einheit verbindet. So wird vermieden, dass die unterschiedliche Belastung der Räder in der Kurve auf das Getriebe zurückschlägt. Eine pendelnd aufgehängte Vorderachse hilft weiterhin, unnötige Spannungen zu vermeiden.
Die charakteristische Frontansicht des OE besteht im Wesentlichen aus vier Teilen: dem an der Stirnseite des Getriebegehäuses angebrachten Einzylindermotor, einem darüber angeordneten flach-rechteckigen Behälter, der das Kühlwasser und den Treibstofftank enthält, sowie einem auf der rechten Seite hoch emporragenden Luftfilter und dem Auspuff auf der linken. Die geringe Wärmeentwicklung des Dieselmotors gestattet dem Hersteller, sich anstelle der üblichen, frostanfälligen Umlaufkühlung einer Verdampfungskühlung zu bedienen. Für den Export in wärmere Länder bietet Daimler-Benz freilich auch die Umlaufkühlung an.
Die enge Verbindung von Motor und Getriebe in einem einzigen, verwindungssteifen Gehäuse kommt auch der effizienten und dauerhaften Druckumlaufschmierung zugute. „Das Schmiersystem, von dem ja die Lebensdauer und Betriebssicherheit der Maschine ganz wesentlich abhängen, ist mit besonderer Sorgfalt ausgebildet“, attestiert denn auch der Regierungsbaumeister Benno R. Dierfeld dem Schlepper 1929 in der Fachzeitschrift „Die Technik in der Landwirtschaft“. Im Vergleich zu einem Ketten-, Ritzel- oder Schneckenantrieb erweist sich zudem die direkte Kraftübertragung vom Getriebe auf die Hinterräder mittels Stirnrädern als nahezu unverwüstlich.
Einfachste Bedienung, die durchdachte Abstimmung aller Teile und die extrem robuste Bauweise machen den OE zu einem zuverlässigen Arbeitstier, das den härtesten Beanspruchungen ohne weiteres gewachsen ist. Dennoch sorgt Daimler-Benz auch für den Fall von Abnutzungserscheinungen in einzigartiger Weise vor. Zwei große, leicht abnehmbare Wartungsklappen bieten im Bedarfsfall leicht Zugang zu dem staubdicht ausgebildeten Getriebegehäuse. „Dies ist eine einzigartige, bei keinem anderen Fabrikat vorhandene wertvolle Neuerung“, heißt es im Prospekt. Ebenso einfach gestaltet sich der Wechsel der aus einer speziellen Gusseisenlegierung mit Chrom- und Nickelzusätzen gefertigten Zylinderlaufbüchse, falls diese nach vielen Arbeitsstunden dann einmal ausgeschlagen ist.
Tausendsassa von Format
Der große Nachteil früherer Motorpflüge hatte darin bestanden, dass sie infolge der festen Verbindung von Pflug und Antrieb eben nur für die schwere Arbeit des Pflügens geeignet waren. Der Universalschlepper OE kann indes viel mehr. Dies geht schon aus der tabellarischen Aufstellung der Arbeitsleistung in den Prospekten des Schleppers hervor: Beim Tiefpflügen bearbeitet er an einem zehnstündigen Arbeitstag sechs bis acht preußische Morgen, beim Saatpflügen mit zwei- bis dreischarigem Pflug sind es zehn bis zwölf Morgen, während er beim Schälen mit fünfscharigem Schälpflug 20 bis 25 Morgen erreicht. Bis zu 40 Morgen täglich beackert er beim Grubbern und Eggen.
Ein Zapfwellenantrieb bringt Mähmaschinen, Kartoffelroder, Rübenheber und Sortierer in Schwung. Darüber hinaus läßt sich zum Antrieb stationärer Maschinen eine Riemenscheibe montieren, deren Drehzahl sich zwischen 300 und 800 Umdrehungen pro Minute regulieren läßt. Auf diese Weise dient der Traktor auch als Antrieb für Pumpen, Kreissägen, Dresch- und Häckselmaschinen, Schrotmühlen oder Dynamos.
Neben dem Ackerschlepper gibt es aber auch eine Straßenschlepper-Version. In diesem Falle treten Ganzmetallräder mit Vollgummi- oder auch Luftreifen an die Stelle der Greiferräder, und das Getriebe erhält durch den Wechsel zweier Räder eine andere Übersetzung. Während der Ackerschlepper im ersten Gang 3,2, im zweiten 4,5 und im dritten 6,2 km/h erreicht, schafft der Straßenschlepper je nach Anhängelast 10,6 oder 12,3, später gar bis zu 15 km/h. Hier kann der Kunde je nach den individuellen Erfordernissen frei wählen: Im Normalfall zieht der Schlepper auf ebener Straße im dritten Gang 15 Tonnen, bei größeren Lasten oder Steigungen läßt sich die Gesamtübersetzung entsprechend ändern.
Der Luftfilter ist beim Straßenschlepper einfacher ausgeführt. Eine Riemenscheibe für den Antrieb stationärer Maschinen gibt es gegen Aufpreis, ebenso wie eine Seilwinde im Heck, ein Verdeck mit seitlichem Wetterschutz sowie Petroleum-, Karbid- oder elektrische Lampen. Dank der Wartungsklappen im Getriebegehäuse läßt sich der Ackerschlepper bei Bedarf auch nachträglich leicht in ein Straßenfahrzeug umwandeln: Es genügt, die vier Räder und zwei Zahnräder des Getriebes zu wechseln. Später bietet Daimler-Benz den Traktor unter der Bezeichnung „Kombinationsschlepper“ auch mit einem doppelten Radsatz und Zahnrädern zum Wechseln von Acker- auf Straßenbetrieb an.
Die Betriebskosten machen den Unterschied
Von Anfang an preist Daimler-Benz den OE als „zuverlässigsten und billigsten Schlepper für die Landwirtschaft“ und gibt für jeden einzelnen Fall an, mit welchen Treibstoffkosten der Kunde zu rechnen hat: Zwischen 20 Pfennig beim Grubbern und Eggen und 80 bis 90 Pfennig beim Tiefpflügen muß der Landwirt für die Bearbeitung eines Morgens Ackerland bezahlen. Zum wesentlich günstigeren Preis des Dieselöls kommt ein gegenüber dem Benzinmotor um 30 Prozent geringerer Verbrauch, so dass sich schon bei einer jährlichen Auslastung von 1200 Betriebsstunden eine Ersparnis von 1500 Reichsmark ergibt.
„Die Verzinsung von 1000 Mark mehr oder weniger Anlagekapital spielt praktisch keine Rolle“, heißt es demgegenüber im Prospekt von 1928. Dies versteht sich als direkte Replik auf den Lanz Bulldog, der mit einem Kaufpreis von 5600 Mark exakt 1000 Mark billiger war als der OE – allerdings senkt Daimler-Benz den Preis später auf 5900 Mark.
Als die Kunden den Kostenvorteil aufgrund der geringeren Betriebskosten nicht auf Anhieb erkennen, unternimmt der Hersteller alle erdenklichen Anstrengungen, um auf das Einsparungspotenzial hinzuweisen. Prospekte, die die Kosten beim Betrieb des Schleppers in allen Einzelheiten aufführen, zeigen schon durch die zweifarbige Gestaltung des Titelblatts auf einen Blick, worum es geht: „74% Brennstoffkostenersparnis!“ Auf Werbeveranstaltungen und bei Vergleichstests bewahrheitet sich stets aufs Neue die unvergleichliche Sparsamkeit der Maschine: so bei der Welt-Schlepperprüfung 1930 in England, wo der OE von allen Kandidaten am besten abschneidet.
„Ihre Ausgaben für Beförderungsmittel sind zu hoch und müssen gesenkt werden“, formuliert ganz direkt ein Prospekt von 1931. „Dies wird erreicht durch Beschaffung eines Mercedes-Benz-Dieselschleppers, welcher dank billigem Anschaffungspreise, niedrigsten Betriebs- und Unterhaltungskosten bei wesentlich gesteigerter Leistung ohne weiteres eine jährliche Ersparnis von mehreren tausend Mark gegenüber dem Betrieb mit gleich starken Benzin-Benzol-Fahrzeugen bringt.“
In der Praxis überzeugend
Zu den Bemühungen der Öffentlichkeitsarbeit gehört auch, dass sich das Unternehmen von den Käufern des Dieselschleppers Zeugnisse ausstellen läßt. Die zahlreichen Rückmeldungen, die seit dem ersten Jahr des Traktors bei Daimler-Benz eingehen, zeugen von einer hoch zufriedenen Kundschaft und zugleich von den vielfältigen Einsatzbereichen des Dieselschleppers.
„Auf Ihre gefällige Anfrage gestatte ich mir, Ihnen mitzuteilen, daß ich mit dem von Ihnen im Juli 1928 gelieferten Schlepper sehr zufrieden bin“, schreibt beispielsweise der Besitzer des Ritterguts Paunsdorf bei Leipzig, Major a.D. Fritz Teuscher. „Besonders hervorzuheben ist die große Kraftreserve der Maschine, durch die auch bei schwierigsten Verhältnissen ein leichtes Anfahren ermöglicht wird.“ Nachdem er im Detail den Einsatz des Schleppers und den Brennstoffverbrauch geschildert hat, kommt der Major zu dem Ergebnis: „Ich kann die Anschaffung des Mercedes-Benz-Schleppers nur empfehlen.“
Zu einem ähnlichen Schluss gelangt auch die Gutsverwaltung der Stadt Speyer: „Wir haben in den letzten fünf Jahren mit verschiedenen Schleppern gearbeitet. Der Dieselschlepper übertrifft alle sowohl an Betriebskostenersparnis als auch an Einfachheit der Bedienung und steht keinem an Zugkraft nach.“ Gutsverwalter Ott lobt die Differenzialsperre und schließt: „Im Übrigen beglückwünschen wir Sie, dass gerade das altberühmte Benz-Werk nun endlich der Deutschen Landwirtschaft einen Schlepper anbietet, der alle Auslandsfabrikate, nach unserer Überzeugung auch den bekannten I.H.C.-Schlepper, nach jeder Richtung und insbesondere in Bezug auf Betriebskostenersparnis übertrifft.“
Auch der Besitzer des Ritterguts Moisall, Baron von Swieykowski-Trzaska, bestätigt, „dass bei dem Probepflügen auf meinem Gute Ihr Mercedes-Benz-Dieselschlepper ganz Hervorragendes geleistet hat. Der Brennstoffverbrauch war der geringste, und die Pflugfurche war bedeutend besser als von den zur selben Zeit arbeitenden Maschinen Ihrer Konkurrenz. – Es ist dies umso mehr anzuerkennen, als der Mercedes-Benz-Dieselschlepper auf außerordentlich bergigem, lehmigem und steinigem Boden arbeiten musste.“
Freilich zeigt sich, dass die Zeugnisse zumeist von großen Rittergütern und Domänen stammen, in einem Fall sogar von der „Compagnie Ouest-Cameroun“, deren Direktor am 19. Juni 1930 mitteilt: „Aus voller Überzeugung kann ich Ihnen bestätigen, dass Ihre Dieselschlepper-Maschinen von erstaunlicher Leistungsfähigkeit und hohem Werte sind, besonders in diesem Lande, wo die Schlepperarbeit in nichts mit den europäischen Anforderungen zu vergleichen ist. Hier gilt es, schwere Arbeit und wahrhaftiges Urbarmachen zu leisten auf diesem von äußerst dichtem und zähem Präriegras durchwucherten Boden.“
Eine große Zahl von Rückmeldungen erhält Daimler-Benz auch von verschiedenen Industrie- und Handelsbetrieben, die den Straßenschlepper für ihre unterschiedlichen Zwecke nutzen. Darunter befinden sich Kohlenhändler, Speditionen und Brauereien, eine Zuckerfabrik, eine Eisengießerei, eine landwirtschaftliche Maschinenfabrik und eine elektromechanische Werkstatt. Eine Kiesgrube setzt den Schlepper als Steinbrecher ein, ein Wohnungsbauunternehmen, ein Gipser- und Stuckateurbetrieb sowie ein Zement- und Baugeschäft zeugen von seiner Verwendung im Bauwesen. Auch die Arbeitsgemeinschaft „Ausbau der Verdon-Wasserkräfte“ in der Haute Provence macht sich die Dienste des OE zunutze.
Und dennoch: Der Verkauf bleibt hinter den Erwartungen zurück
Das Zeug dafür, ein großer Erfolg zu werden, ist dem Dieselschlepper OE in die Wiege gelegt. Handelt es sich doch um eine bis ins kleinste Detail durchdachte, außerordentlich robuste Konstruktion, die zugleich in Bezug auf einfachste Wartung und niedrige Verbrauchswerte neue Maßstäbe setzt. Auch hat sich der Benz-Sendling-Eintriebradschlepper als erster Dieselschlepper der Welt so gut eingeführt, dass sein in mancher Hinsicht gelungenerer Nachfahre durchaus zu großen Hoffnungen berechtigt.
Dennoch – und trotz der einhellig positiven Resonanz bei den Kunden – geht der Verkauf des Mercedes-Benz-Traktors nur schleppend voran. Woran dies liegt, lässt sich auch im Nachhinein nicht mit hundertprozentiger Sicherheit feststellen. Der enttäuschende Start dürfte jedoch mit dem ungünstigen Zeitpunkt zusammenhängen, zu dem der Schlepper schließlich auf den Markt kommt.
Viele der potenziellen Käufer reagieren wohl grundsätzlich zögernd auf einen weiteren neuen Schlepper, nachdem so viele Fabrikate in der ersten Hälfte der zwanziger Jahre mehr Ärger als Freude bereitet hatten. Hier machen zwar die Benz-Sendling-Dieselschlepper eine Ausnahme. Doch müssen die Kunden erst einmal begreifen, dass der OE trotz geänderten Produktionsstandorts und Markennamens aus demselben Hause stammt. Klugerweise kündigt Daimler-Benz den OE daher 1928 zunächst als Benz-Sendling-Erzeugnis an. Zum Erfolg der Schlepper von Benz-Sendling dürfte schließlich auch die Nähe des Partners Komnick zu den großen preußischen Rittergütern beigetragen haben. Während sich der dreirädrige S7 von 1925 bis 1931 noch 888-mal verkauft, bringt Daimler-Benz den OE bis 1935 nicht öfter als 380-mal an den Mann.
Zudem kommt schon ein Jahr nach der Vorstellung die Weltwirtschaftskrise, die so manche Erwartungen nach unten korrigiert. Mögen die Betriebskosten noch so niedrig, die Wartung noch so unkompliziert ausfallen: Für den einfachen Landwirt bedeutet ein Anschaffungspreis von zuletzt 5900 Mark eine hohe Hürde. Den Zeugnissen zufolge sind es eher Gutsbesitzer und Domänenpächter, die den Schlepper erwerben, sowie eine größere Zahl verschiedener Unternehmen, die eben nicht den Acker-, sondern den Straßenschlepper für ihre jeweiligen Zwecke nutzen. Die große Zeit der Maschinisierung der Landwirtschaft ist noch nicht gekommen.
Daimler-Benz entscheidet 1933, nachdem der Anteil des OE an den Schlepper-Neuzulassungen einen Tiefstand erreicht, die Produktion einzustellen, zumal auf anderen Gebieten die Nachfrage nach Erzeugnissen des Unternehmens groß ist. Erst mit dem Unimog 1951 und dem MB-trac 1972 wendet sich der Hersteller wieder landwirtschaftlichen Nutzfahrzeugen zu.
Quelle: www.mercedes-benz.de