1984 setzte die E-Klasse der Baureihe W124 mit einem cw-Wert von 0,29 einen aerodynamischen Paukenschlag. Sie wurde zum Maßstab, an dem sich bis heute alle Limousinen messen lassen müssen – und den längst nicht alle bestehen. Glatte Flächen, ein eingezogenes Heck und eine klare Abrisskante am Kofferraumdeckel waren konstruktive Elemente, die bis heute eine gute aerodynamische Grundform beschreiben.
Seither wird an der zweiten Stelle hinter dem Komma gefeilt. Eine Verbesserung des cw-Wertes um 0,01 bedeutet im Fahrzyklus (NEFZ) immerhin ein Gramm CO2/km weniger Verbrauch, im gemittelten Realverbrauch sind es schon zwei Gramm und bei 150 km/h bereits fünf Gramm CO2/pro Kilometer.
Die neue Messlatte in der automobilen Welt ist die neue E-Klassen-Familie. Obwohl die Basisreifen – nicht unbedingt zur Freude der Aerodynamiker – immer breiter und die Felgen immer größer werden, ist die Limousine mit cw 0,25 eine der windschnittigsten Viertürer der Welt. Und das Coupé der Baureihe setzt mit cw 0,24 den Bestwert für Serienautomobile überhaupt.
Welche Detailarbeit dorthin führt, zeigen folgende Beispiele:
- Die Lamellen des Kühlluftregelsystems hinter dem Kühler werden weitgehend geschlossen, wenn kein besonderer Kühlluftbedarf herrscht. So werden ein Druckverlust an der Fahrzeugfront und Luftverwirbelungen am Unterboden reduziert. Der Lohn ist eine Verbesserung des Luftwiderstandes um bis zu fünf Prozent oder cw 0,01.
- Kleine Spoilerlippen an den Rücklichtern homogenisieren die Luftströmung am Heck. Die Strömung reißt so an einer klar definierten Stelle ab. Am gesamten Heck entsteht so eine einheitliche Abrisskante.
- Die Kontur der Speichen und des Felgenflansches wurde so weit optimiert, dass das Ergebnis bisher nur mit glattflächigen Radkappen hätte erreicht werden können.
- Der Unterboden wurde optimal verkleidet, die Ersatzradmulde ist als
- Diffusor ausgebildet.
- Feinarbeit an der Form des Spoilers vor den Rädern, den Gummidichtprofilen oder den Details der Unterbodenverkleidung bringen zwar einzeln betrachtet nur minimale Ergebnisse. In der Summe tragen sie aber zum weltmeisterlichen cw-Wert bei.
Von all diesen Maßnahmen profitiert auch das neue Cabriolet der E-Klasse. Zwar kann es mit seinem Stoffdach dem geschlossenen Blechkörper des Coupés naturgemäß nicht ganz das Wasser reichen. Aber Stoff und Kontur des Klappverdecks wurden so optimiert, dass das Cabriolet mit cw 0,28 ebenfalls einen Bestwert unter seinesgleichen setzt.
Die Ruhe selbst: Akustische Optimierung von Anfang an
Auch Windgeräusche sind eine Disziplin der Aerodynamik. Grundvoraussetzung für ein niedriges Windgeräuschniveau im Innenraum sind winddicht abschließende Tür- und Fensterdichtungen. Dies gilt besonders für Fahrzeuge mit rahmenlosen Seitenscheiben wie das neue E-Klasse Coupé und Cabriolet.
Mit den Messwerkzeugen Kunstköpfe und Richtmikrofone lassen sich kleinste Schwachstellen lokalisieren, die dann durch bestmögliche technische Lösungen eliminiert werden. Bereits in der frühen Entwicklungsphase der neuen sportlichen E-Klasse-Zwillinge wurde mit einem drei Meter großen akustischen Hohlspiegel die Außenform der A-Säule und die der Außenspiegel im Windkanal optimiert.
Beim Cabriolet kommt ein neues serienmäßiges Akustik-Verdeck erstmals zum Einsatz. Dadurch ist die E-Klasse im Innenraum eines der geräuschärmsten Fahrzeuge im Segment der viersitzigen Premium-Cabriolets mit Stoffdach. Damit ist Telefonieren – zumindest unter akustischen Gesichtspunkten – mit Freisprechanlage auch bei über 200 km/h möglich.
Dem Komfort dient auch eine weitere Innovation: Das Band der vorderen Sicherheitsgurte verläuft jetzt nicht mehr horizontal, sondern um 35 Grad verdreht zu den Schultern der Insassen. Vorteil dieser Änderung: Der Winddruck an der
Außenseite des Gurtbandes verhindert beim Offenfahren das lästige Gurtflattern. Bis zu einer Geschwindigkeit von 120 km/h konnte dieser „Schulterklopf“-Effekt deutlich reduziert werden.
Technologie für Effizienz
Widerstand, der nicht überwunden werden muss, verlangt auch keine Leistung und verursacht so keinen Verbrauch. Mit zunehmender Geschwindigkeit ist dies bei Kraftfahrzeugen vor allem der Luftwiderstand, denn er steigt quadratisch mit der Fahrgeschwindigkeit: Ab ungefähr 80 km/h wird er größer als die Summe aller anderen Fahrwiderstände und somit zur bestimmenden Größe für den Gesamtwiderstand. Aber auch bei geringeren Geschwindigkeiten sind die rund 1,2 kg Luft pro Kubikmeter, durch die sich das Auto schieben muss, nicht zu vernachlässigen: Bei einem modernen Auto werden in einem typischen Kundenfahrzyklus rund zwei Liter Kraftstoff pro 100 Kilometer nur zur Überwindung des Luftwiderstands benötigt.
Bestimmt wird der Luftwiderstand neben der Geschwindigkeit und Luftdichte durch zwei Faktoren: die Stirnfläche des Fahrzeugs und den Luftwiderstandsbeiwert cw. Während die Stirnfläche sich zwar zwischen verschiedenen Fahrzeugsegmenten, etwa Roadster und SUV, deutlich unterscheidet, ist sie innerhalb eines Segments nur wenig zu beeinflussen: Komfort- und Sicherheitsansprüche bestimmen die Abmessungen des Autos, besonders in Höhe und Breite. Auch Anbauteile wie die Außenspiegel können nicht beliebig verkleinert werden, da hier gesetzliche Anforderungen eingehalten werden müssen.
Also liegt das Hauptaugenmerk bei der Fahrzeugentwicklung darauf, die Luft vor dem Auto möglichst störungsfrei zu teilen und hinter dem Auto wieder glatt zusammenzuführen. Wie gut dies gelingt, beschreibt der cw-Wert. Doch auch hier setzt die Praxis Grenzen. Völlig geschlossene Radabdeckungen sind beispielsweise weder optisch gewünscht noch vorteilhaft für die Bremsenkühlung. Die aerodynamisch ideale Tropfenform mit lang und spitz zulaufendem Heck scheitert schon an der Länge von Parkplätzen und Garagen sowie an den Forderungen des Maßkonzeptes, wie Sitzbreite hinten, ausreichende Kofferraumbreite und Beladbarkeit. Außerdem muss die Luft so um das Fahrzeug geführt werden, dass die Seitenscheiben im Blickbereich auf die Außenspiegel nicht verschmutzen. Ein Kühlluftregelsystem sorgt bedarfsabhängig für die Durchströmung der Kühler. Daneben ist bei der aerodynamischen Entwicklungsarbeit auch die Fahrstabilität ein wichtiges Kriterium. Sie wird durch den Auftrieb an Vorder- und Hinterachse beeinflusst.Text: www.mercedes-benz.de Bilder: Dirk Stegemann